Die Lieder Neidharts
Winterlied 1
I
Winder, uns will dîn gewalt Winter, deine Herrschaft will uns
in die stuben dringen in die Zimmer drängen
von der linden breit: von den Linden weg:
dîne winde die sint kalt. Deine Winde die sind kalt.
lerche, lâ dîn singen! Lerche, laß deinen Gesang!
dir hât widerseit Dir ist bange
beide rîfe und ouch der snê; vor beiden, dem Reif und auch dem Schnee
dû muost stille swîgen: und du mußt still sein:
sô klag ich den grüenen klê. So denke ich mit Schmerz an die grüne Wiese.
meie, ich will dir nîgen; Mai, ich will mich vor dir verbeugen;
mir tuot der winder wê. mir tut der Winter weh.
II
Tanzet, lachet, weset vrô! Tanzt, lacht, seid froh!
daz zimt wol den jungen Das gehört sich so für die Jungen
disen winder lanc. Den ganzen Winter lang.
iu ze stiuwer gibe ich sô Euch dabei zu unterstützen gebe ich
hiwer von mîner zungen in diesem Jahr (jetzt) von meiner Zunge
einen niuwen sanc, ein neues Lied,
daz ir âne swaeren muot das ihr ohne Schwermut
vreude mugt erbîten. Freude mögt erhalten.
Engelmâr, dîn stube ist guot: Engelmar, dein Zimmer ist gut:
küele ist an der lîten. Kalt ist es im Tal.
der winder schaden tuot.
Der Winter richtet Schaden an.
III
Etzel, Ruoze und Adelber Etzel, Ruoze und Adelber
und der geile Rüele und der übermütige Rüele
zesamen hânt gesworn haben sich zusammen verschworen
alle ûf einen dörper hêr: alle gegen einen hochmütigen Dörper:
derst von Wîtenbrüele Der ist aus Witenbrüele
und brüevet grôzen zorn. und rief großen Zorn hervor.
daz enkunde ich ê noch sît Das erfuhr ich noch bevor
nie voltagedingen, der Wettkampf begann.
Rüele enwolte enwiderstrît Rüele wollte Streit beginnen
an dem reien springen: beim tanzen:
daz was Lanzen nît. Das wollte Lanzen nicht.
IV
Lanze eine treien treit, Lanzen tanzte bestimmte Schritte
diu ist von barchâne, ...
grüene alsô der klê. Grün ist also die Wiese.
ze wîge hât er sich bereit: Zur Weihe (Verteidigung) hat er sich bereit gemacht:
er lebet in dem wâne, Er lebt in dem Glauben,
daz im niht widerstê. daß ihm nichts widersteht.
dar in er gesteppet hât Er hat sich genäht
ein guot îsnîn hemde. ein gutes Eisenhemd.
limmende als ein ber er gât; Knurren tut er wie ein Bär;
guot muot ist im vremde. Hohe Gesinnung ist ihm fremd.
erst kint, der in bestât. Nur Kinder (Einfältige) bestätigen ihn.
IVa
Lanze der hât noch die frünt, Lanzen hat noch die Eigenschaft (Gabe)
die in niht enlâzen, die er nicht lassen kann,
swie gar er sî ein kint. zu sein wie ein Kind (Einfältiger).
drî hân ich iu schiere gekünt, Drei habe ich sogleich erkannt,
die im ûf der strâzen die ihm auf der Straße
bîgestendic sint: beigestanden haben:
Îsenbolt und Îsenhart Isenbolt und Isenhart
und der junge Vrîte. und der junge Vrite.
Rüele der wart nie sô zart, Rüele der war nie so zart (vertraut),
er waer an dem strîte der war bei dem Streit
ze verhe wol bewart. ... wohl verschont.
IVb
Sô lâz wirs vehten umb den lîp. So lassen wir den Kampf um diese Personen.
und gê wir zuo dem tanze: Und gehen wir zum Tanz:
dâ spring wir schône enbor. Da springen wir schön hoch.
nu wol ûf, meide und jungiu wîp, Nun wohl auf, Mädchen und junge Weiber,
Afrâ, Englîn, Franze, Alfra, Englin, Franze,
diu will uns singen vor. Die wollen uns was vorsingen.
Metze beit ................. Metze zögert ...................
und kumet Adelheite und kommt Adelheit
und über ... Engellint und über ... Engellint
und Irmengart gmeite, und Irmengart die fröhliche,
daz sint gar schoeniu kint. das sind gar schöne Kinder (junge Mädchen).