Die Lieder Neidharts
Winterlied 4
"Sinc an, gudîn huon! ich gibe dir weize", "Beginne zu singen, goldiges Huhn! Ich gebe dir dafür Weizen."
(schiere dô (kurz darauf
wart ich vrô) war ich froh)
sprach si, nâch der hulden ich dâ singe: sprach sie, um deren Huld ich singe:
alsô vreut den tumben guot geheize Daß es den Dummen freut auf die gute Verheißung
durch daz jâr. durch das Jahr.
würde ez wâr, Wird es so sein,
sô gestuont nie mannes muot sô ringe, so stand nie des Mannes Gesinnung so hoch,
alsô mir der mîne danne waere. also wie die meine dann wäre.
Mac si durch ir geilicheit Kann sie durch ihre Übermütigkeit
mîniu leit meinen Kummer
wenden? Ja ist mîn kumber klagebaere.
wenden? Ja mein Kummer ist
beklagenswert.
II
Los ûz! Ich hoer in der stuben tanzen. Los auf! Ich höre im Zimmer den Tanz.
junge man, Junge Männer,
tuot iuch dan! haltet euch ran!
da ist der dorefwîbe ein michel trünne. Da ist eine große Schar Dorfmädchen.
dâ gesach man schône ridewanzen. Da sah man einen schönen Ridewanz (Tanz).
zwêne gigen; Zwei geigen;
dô si swigen als sie schwiegen
(daz was geiler getelinge wünne), (Das war eine übermütige Freude für die Bauernburschen),
seht, dô wart von zeche vor gesungen! seht, da wird in einer bestimmten Reihenfolge vorgesungen!
durch diu venster gie der galm. Durch die Fenster drängte der Lärm.
Adelhalm Adelhalm
tanzet niwan zwischen zweien jungen.
tanzt nur zwischen zwei jungen.
III
Rûmet ûz die schämel und die stüele! Räumt raus die Schemel und die Stühle!
heiz die schragen Laßt die Tische
vuder tragen! raustragen!
hiute sul wir tanzens werden müeder. Heute wollen wir vom Tanz müde werden.
werfet ûf die stuben, so ist ez küele, Macht auf die Zimmer, damit es kühler wird,
daz der wint damit der Wind
an diu kint den Mädchen
sanfte waeje durch diu übermüeder! besänftigend durch die Mieder wehen kann!
sô die voretanzer danne swîgen, Wenn die Vortänzer fertig sind,
sô sult ir alle sîn gebeten, seid ihr alle dazu aufgefordert,
daz wir treten daß wir tanzen,
aber ein hovetänzel nâch der gîgen: aber ein höfisches Tänzchen nach der Geige:
IV
Gôzbreht, Willebolt, Gumpreht und Eppe, Gozbrecht, Willebolt, Gumprecht und Eppe,
Willebreht, Willebrecht,
meiers kneht, des Meiers Knecht,
Werenbolt und ouch der junge Tuoze, Werenbolt und auch der junge Tuoze,
Megenbolt, des meiers sun, und Reppe, Megenbolt, des Meiers Sohn und Reppe,
Irenwart, Irenwart,
Brohselhart; Brohselhart;
dar nâch springet der vil wilde Ruoze: danach tanzt der sehr wilde Ruoze:
derst ein tumber geiler Holingaere; Der ist ein dummer übermütiger Holingäre;
er gêt vrîen durch daz jâr er hat das ganze Jahr um Frauen geworben
(des nemt war!) (Das laßt euch sagen!)
unde ist doch den meiden gar unmaere.
und ist den Mädchen doch sehr
unlieb.
V
Sâht ir ie gebûren sô gemeiten, Saht ihr irgendeinen Bauern je so keck,
als er ist? wie diesen?
wizze Krist! Weiß Gott!
er ist al ze vorderst anme reien. Er führt den Tanz an.
einen vezzel zweier hende breiten Einen zwei Hände breiten Gurt
hât sîn swert. hat sein Schwert.
harte wert Von hohem Wert,
dünket er sich sîner niuwen treien: denkt er sich, sei seine neue Jacke:
diust von kleinen vier und zweinzec tuochen, Diese ist von kleinen vierundzwanzig verschiedenen Flicken,
di ermel gênt im ûf die hant: die Ärmel gehen bis auf die Hand:
sîn gewant Sein Gewand
sol man an eim oeden kragen suochen.
Soll man an eines Tölpels Halse (Kragen)
finden.
VI
Dörperlîch stât allez sîn gerüste, Von dörperlicher Art ist all seine Ausrüstung,
daz er treit. die er trägt.
mirst geseit, Mir wurde gesagt,
er sinn Engelboltes tohter Âven: er denkt an Engelboltes Tochter Aven:
den gewerp erteile ich im ze vlüste. Dieses Ansinnen, sage ich ihm, wird zerrinnen.
si ist ein wîp, Sie ist eine Frau,
daz ir lîp deren Körper
zaeme wol ze minne einem grâven; demgemäß wohl zur Liebe mit einem Grafen geziemte;
dâ von lâze er sich des wîsen tougen! davon lasse er sich des Wissens gebrauchen!
zecke er anderthalben hin! Scharmützel er anderswo herum!
den gewin Den Gewinn
trüege er hin ze Meinze in sînem ougen.
Könnte er nach Mainz in seinen Augen
tragen.
VII
Imst sîn treie nie sô wol zerhouwen Ihm ist sein Wams noch nie so zerhauen gewesen
noch sîn kel noch sein Hals
nie sô hel, nie so licht.
er enmüge sî sîn wol erlâzen. Er möge seine Gedanken an sie lieber fahren lassen.
disen sumer hât er sî gekouwen Diesen Sommer hat er sie gakaut
gar vür brôt. gar wie Brot.
schamerôt Schamrot
wart ich, dô si bî ein ander sâzen. war ich, als sie beieinander saßen.
wirt si mir, der ich dâ gerne diene, Wird sie mein, der ich ihr gerne diene,
guotes gibe ich ir die wal, gebe ich ihr mein Gut zur Wahl,
Riuwental Reuental
gar vür eigen: da ist mîn Hôhiu Siene. gar zu eigen: Das ist mein hoher Sinn.