Heiko Häselbarth, 06.03.1992
Didaktik - Theorien der Gegenwart
1) Einleitung
2) Begriff und historische Entwicklung der Didaktik
3) Überblick über didaktische Konzepte der Gegenwart
3.1.) Didaktik in der DDR - marxistisch-leninistisch orientierter Ansatz
3.2.) Didaktische Ansätze in der BRD
3.2.1.) Die bildungstheoretische Didaktik
3.2.2.) Die lerntheoretische Didaktik
3.2.3.) Die informationstheoretische Didaktik
In der folgenden Arbeit habe ich mich vorwiegend mit Didaktik-Theorien der Gegenwart auseinandergesetzt. Eine Begriffsbestimmung und ein kurzer historischer Rückblick auf die Entwicklung der Didaktik seit dem 17. Jahrhundert dient dem besseren Verständnis, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Auch eine ausführliche Darstellung der einzelnen didaktischen Strömungen in Westdeutschland und ihre Entwicklung bis heute konnte an dieser Stelle mit Rücksicht auf den Umfang der Arbeit nicht erfolgen. Ich habe hier nur das mir wesentlich erscheinende ausgeführt, wobei es mir mehr auf eine auch vergleichende Darstellung der verschiedenen Richtungen ankam.
Im Rahmen der westdeutschen Didaktiken habe ich mich zuerst mit der bildungstheoretischen Didaktik auseinandergesetzt. Grundlegende Wesenszüge und vergleichende Aspekte werden weiterhin über die lerntheoretische und die informationstheoretische Didaktik ausgeführt. Die kommunikative Didaktik und die Aktivitäts- und Erfahrungsdidaktik werden unter dem Punkt 'Zusammenfassung' nur kurz erwähnt. Weitere didaktische Modelle sind nicht erwähnt. Die drei von mir vordergründig behandelten Didaktik-Theorien (bildungstheoretische, lerntheoretische, informationstheoretische) sind seit den 60iger Jahren und auch noch heute für die Bildungslandschaft Deutschlands prägend.
Etwas ausführlicher habe ich mich mit der marxistisch-leninistischen Didaktik in der DDR auseinandergesetzt. Ein Vergleich zu der gleichzeitig in der BRD stattfindenden Entwicklung erschien mir nicht angebracht. Allerdings ist hier der Gegensatz zwischen einer ideologisch verzerrten und einseitig ausgerichteten Herangehensweise und sich relativ frei entwickelnden, wissenschaftlich diskutierten und tradierten Ansätzen zu erkennen.
Es ist durchaus möglich, daß völlig
verschiedene und sich auch widersprechende Theorien nebeneinander existieren und
praktiziert werden. Nur so kann Wissenschaft in Freiheit wirken und nur so ist
Wissenschaft überhaupt gerechtfertigt.
2) Begriff und historische Entwicklung der Didaktik
Der Begriff Didaktik ist vom griechischen "Didaskein" hergeleitet. Im weiteren Sinne des Wortes bezeichnet der griechische Begriff das "Lehren", aber auch "Lernen" und die "Lehre". Im engeren Sinne ist Didaktik die Theorie des schulischen Unterrichts oder auch die Theorie der Bildungsinhalte und des Lehrplans. Ein einheitlich verwendeter Begriff von Didaktik, sowie eine einheitliche Theorieentwicklung existiert allerdings bis heute nicht, da diesem kontroverse Auffassungen hinsichtlich der jeweils didaktisch relevanten Bereiche, insbesondere aber gegensätzliche anthropologische Annahmen und Menschenbilder entgegenstehen.
Eine Allgemeine Didaktik ist hierbei zu verstehen als Theorie des Unterrichts, d.h. des Lehrens und Lernens, und beschäftigt sich mit den Aufgaben der Schule, mit Zielen und Inhalten des Unterrichts einschließlich ihrer Voraussetzungen und Begründungen, mit der Systematik der Schulfächer und ihrem Zusammenhang mit verschiedenen Fachwissenschaften. Die Allgemeine Didaktik umgreift auch eine Allgemeine Methodik als Theorie der Verfahrensweisen, mit denen die Unterrichtsziele erreicht werden sollen. Während sich die Allgemeine Didaktik ganz der Schulwirklichkeit und Unterrichtspraxis widmet, ist es die Aufgabe der Fachdidaktik die allgemeindidaktischen Modelle und Prinzipien daraufhin zu prüfen, ob sie auch im Blick auf die fachspezifischen Ziele und Inhalte anwendbar sind. Eine solche Fachdidaktik als Theorie der Ziele, Inhalte und Methoden (Fachmethodik) eines bestimmten Unterrichtsfachs steht immer in einem zweiseitigen Begründungszusammenhang: Sie stützt sich zugleich auf den wissenschaftlichen Gegenstand des Unterrichts und deren gesellschaftliche Funktion und auf die Bedingungen des Unterrichts mit den Bedürfnissen und Interessen der Schüler. Weiterhin ist zwischen Bereichs- und Stufendidaktik zu unterscheiden.
Didaktische Probleme waren bereits in der Antike bekannt. Hier wurde der Begriff Didaktik für die moralisch belehrende Dichtung verwendet. In Folge der Befreiung der Wissenschaften aus dem metaphysischen Weltbild des Mittelalters entwickelte im 17. Jahrhundert der Pädagoge Wolfgang Ratke (1571 - 1635), mit seiner "Allunterweisung", eine erste umfassende didaktische Lehre. Einen weitere wichtigen didaktischen Ansatz entwickelte Anfang des 17. Jahrhunderts Johann Amos Comenius, mit seiner "Didacta magna". Seit dieser Zeit findet der Begriff Didaktik in erziehungswissenschaftlichen Theorien Verwendung und bezeichnet dort den Sinn von 'Lehrkunst'. Beide begründeten damit eine Didaktik, die das Lehren nicht mehr getrennt von der Lehrart sah und in welcher damit das Lehren immer auch Erziehen bedeutete. Der Unterricht sollte mit dem Leben und das Lernen mit der Anschauung verbunden werden. Vordergründig sollte damit der humanistische Anspruch "alle alles vollständig" zu lehren, welcher von Comenius formuliert wurde, erfüllt werden.
Für den rationalistischen Standpunkt war es kennzeichnend, daß allein der Erziehung und hier in erster Linie dem Unterricht eine Veränderung des Menschen zu einem "vernünftigen" Wesen zugestanden wurde. Damit war die Pädagogik zunächst fast vollständig in der Didaktik aufgehoben und mit dieser identisch.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden die didaktischen Lehren jedoch in einen starren Formalismus verwandelt und von pädagogisch-philosophischen Fragestellungen getrennt. Die Lehrverfahren wurden schematisiert. Das Auswendiglernen oder die Wiedergabe vorgeschriebener Antworten wurde in den Vordergrund gestellt. Zu diesen autoritären Unterrichtsverfahren in den Schulen kam es unter der Führung der orthodoxen Theologie. Der Katechismus wurde zum Prototyp des Schulbuchs, das Katechisieren zum einzigen anerkannten Unterrichtsverfahren. Es wurde eine Didaktik des Katechisierens entwickelt und mit Hilfe der Wolffschen Philosophie ausgebaut. Durch die Aufklärung wurde diese Entwicklung weiter vorangetrieben. Die Pädagogik der Aufklärung versuchte allerdings die katechetischen Unterrichtsverfahren zu einer rationalistischen Heuristik in Anknüpfung an die Lehrformen des Sokrates umzugestalten. Unter heuristischer Methode wurde ein Vorgehen verstanden, bei dem die Lernenden dazu angehalten werden, angesichts von Problemen sogenannte Heurismen (Findeverfahren) einzusetzen, um eine Problemlösung zu erreichen. Dies kann z.B. durch systematisches Probieren geschehen. Immer wenn zu Bewältigung einer kognitiven Anforderung kein Routineverfahren, ein Algorithmus, zur Verfügung steht, sondern ein Lösungsverfahren erst konstruiert werden muß, spricht man von einem heuristischen Vorgehen. Wissensstoffe sollten den Schülern 'abgelockt', nicht aber katechisierend abgefragt werden. Hierbei ist besonders auf die Aufklärer Locke und Rousseau zu verweisen. Trotz dieses Anspruches zeigte die eigentliche Schulpraxis aber eher eine formalistische Anwendung. Auch Pestalozzi (1746 - 1827) hielt die Heuristik des Sokrates für eine "erhabene Kunst". Seine Arbeiten mündeten jedoch in den Versuch, auf der Anschauung eine didaktische Elementarlehre aufzubauen. Aber auch diese Theorie wurde in der Schulpraxis formalistisch gehandhabt.
Bedeutenden Einfluß auf die Entwicklung der Didaktik im 19. Jahrhundert übten Diesterweg (1790 - 1866), Schleiermacher (1768 - 1834) und Herbart (1776 - 1841) aus. Hierbei war es vor allem J.F. Herbart, der die Didaktik wieder stärker auf den Unterricht bezog, ohne allerdings die enge Verbindung von Erziehung und Unterricht zu vernachlässigen. Da Unterricht ein Teil der Erziehung ist, ist bei ihm die Didaktik der Pädagogik untergeordnet. Seine Theorie der Formalstufen fand in der Schulpraxis als individualisierende Methode große Verbreitung. Diesterweg unterschied die mitteilende und die entwickelnde Lehrart und arbeitete die Bedeutung der 'Selbsterziehung' des Lehrers heraus. Dennoch wurde im 19. Jahrhundert Didaktik in erster Linie als Methodenlehre verstanden. Die didaktische Theorie wurde als rezepthafte Prinzipienlehre ent faltet.
Otto Willmann (1839 - 1920) erneuerte die Pädagogik Herbarts in seiner "Didaktik als Bildungslehre", in die auch Gedanken von Schleiermacher aufgenommen wurden. Ausgehend von Herbart ist für ihn die Bildungsarbeit Gegenstand der Didaktik. Sie steht für ihn allerdings als selbständige Disziplin neben der Pädagogik. W. Rein lehnte diese Trennung ab und betrachtete wie Herbart die Didaktik als "Lehre vom erziehenden Unterricht" und damit als Bestandteil der Pädagogik.
Die weitere Entwicklung der Geisteswissenschaften führte, vor allem unter dem Einfluß Wilhelm Diltheys (1833 - 1911), zur Begründung der geisteswissenschaftlichen Pädagogik. Ausgehend vom zentralen Begriff der Bildung, wurde die Frage gestellt, mit Hilfe welcher Gegenstände oder Inhalte sich diese überhaupt vollzieht und aufgrund welcher Einflußgrößen und Entscheidungsprozesse ein Lehrplan als verbindliche Sammlung solcher Inhalte zustande kommt.
Erich Wenigers "Theorie der Bildungsinhalte und des Lehrplans" (1930) bildete auch nach dem Zweiten Weltkrieg einen Angelpunkt der didaktischen Diskussion in der deutschen Pädagogik. Es kam zur Herausbildung der bildungstheoretischen Didaktik, die nach 1945 in der BRD weite Verbreitung fand. Demgegenüber wurde die Herausbildung der Didaktik in der DDR auf die sozialistischen Lehren bezogen, deren Bedeutungsgehalt zunächst aus dem sowjetischen Gesellschaftsmodell abgeleitet wurde.
3) Überblick über didaktische Konzepte der Gegenwart
3.1. Didaktik in der DDR - marxistisch-leninistisch orientierter Ansatz
Man kann das heute zur Vergangenheit zählende didaktische Herangehen in der DDR in drei Ebenen unterteilen. Als erstes ist hier die Ebene der Administration, das Ministerium der Volksbildung, zu nennen. Hier wurden die Lehrpläne entworfen, deren Ziel es war, Bildung und Erziehung zur allseitigen Entwicklung der sozialistischen Persönlichkeit zu nutzen. Die Schule als bedeutsamer politisch-ideologischer und geistig-moralischer Faktor in der weltweiten Klassenauseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus wurde in dem Maße zur Stätte humanistischer Bildung, wie es gelang, ihren sozialistischen Inhalt umfassend auszuprägen. Dies war ein Ziel mit einem sehr hohen Anspruch. Die zentrale Aufgabe des Unterrichts war es, die Kinder und Jugendlichen auf die schöpferische Arbeit in der sozialistischen Gesellschaft vorzubereiten. Die Könnensentwicklung der Schüler sollte durch ein bewußtes Herangehen systematisch realisiert werden.
Merkmale des Unterrichts in der sozialistischen Schule waren :
- Unterricht hat gesellschaftlichen Charakter, Klassencharakter
- Unterricht ist eng mit produktiver Arbeit verbunden
- Unterricht ist eine Einheit von hoher wissenschaftlicher Bildung und klassenmäßiger sozialistischer Erziehung
- Unterricht ist gemeinsame zielgerichtete und bewußte Tätigkeit des Lehrers und der Schüler
- Unterricht vollzieht sich planmäßig und systematisch
- Unterricht unterliegt den Gesichtspunkten von Einheitlichkeit und Differenzierung
- Unterricht ist ein objektiver gesellschaftlicher Prozeß
(L. Klingberg, Allgemeine Didaktik).
Das Lernen in den Schulen der DDR war somit von Professionalität, Kontinuität und Systematik gekennzeichnet. Der Unterricht war in die politische Ordnung und damit in die ideologische Doktrin fest eingebunden und sollte zur klassenmäßigen Erziehung beitragen. Die Schwerpunkte im Lehrplan wurden so fixiert, daß eine gezielte Erziehung durch den Unterricht möglich war. Die zweite Ebene ist der konkrete Unterricht, wie er in den Schulen verlaufen ist. Hierbei tritt vor allem die Individualität des Lehrers in den Vordergrund. Allerdings wurde eine Kritik der Lehrer am Lehrplan immer auf's schärfste zurückgewiesen.
Die dritte Ebene ist die Ebene der Theorieentwicklung. Eine Theorieentwicklung erfolgte an den Universitäten und pädagogischen Hochschulen. Hierbei wurden durchaus anspruchsvolle Konzepte entwickelt, welche aber in der Schulpraxis wenn überhaupt, dann nur ideologisch deformiert greifen konnten. Von dieser Ebene hätte der praktisch handelnde Pädagoge vielleicht mehr Unterstützung erwarten können. Doch hier kam es wohl häufig zu resignativen Haltungen, womit wissenschaftliche Arbeit nicht mehr gerechtfertigt werden konnte.
Didaktik wurde in der DDR als wissenschaftliche Disziplin der Pädagogik verstanden. Sie war hierbei besonders eng mit der Theorie der Erziehung verbunden, weil diese sich mit der Herausbildung sozialistischer Einstellungen, Überzeugungen und Verhaltensweisen befaßte. Das 'Lehrplanwerk' hatte Systemcharakter, welcher in der Ausfaltung der zentralen ideologisch-theoretischen Grundpositionen im System der Unterrichtsfächer bestand. Mit ihm erfolgte eine klare und systematisch entfaltete Konzeptionsentwicklung, die von der marxistisch-leninistischen Auffassung von Menschenbildung ausgehend, dann über das sozialistische Persönlichkeitsideal die Idee der sozialistischen Allgemeinbildung entwickelte und daraus dann sehr praktische Konsequenzen für die Anteile der einzelnen Bildungsbereiche zog.
Zum komplizierten Legitimationsproblem bei der Setzung von Ansprüchen, Inhalten und Anforderungen konnte es nicht kommen, da die Ziel- und Inhaltsfragen staatlicherseits geklärt waren. Das Wesen des Unterrichtsprozesses war ein zieldeterminiertes, gegliedertes pädagogische Geschehen, das unter Führung des Lehrers von einer klar fixierten Ausgangsposition über Teil- und Zwischenziele zu einem bestimmten Ergebnis gelangte. Der Unterricht wurde damit als komplexes Geschehen betrachtet.
Folgende didaktische Prinzipien wurden für wichtig erachtet:
Prinzip der Einheitlichkeit von wissenschaftlicher Bildung und allseitiger sozialistischer Erziehung auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus.
Prinzip der Verbindung von Unterricht und produktiver Arbeit von Theorie und Praxis.
Prinzip der Planmäßigkeit und Systematik des Unterrichts.
Prinzip der fächerübergreifenden Koordinierung der Unterrichtsarbeit.
Prinzip der führenden Rolle des Lehrers und der Selbsttätigkeit der Schüler.
Prinzip der Faßlichkeit des Unterrichts.
Prinzip des individuellen Eingehens auf die Persönlichkeit des Schülers auf der Grundlage der Arbeit mit dem Schülerkollektiv.
Prinzip der Anschaulichkeit des Unterrichts.
Prinzip der ständigen Ergebnissicherung.
(L. Klingberg, Allgemeine Didaktik)
1982 erschien eine neue Didaktik-Publikation in der DDR, welche gegenüber Klingberg folgende Elemente einer neuen Didaktik aufführte:
Die Einordnung des unterrichtlichen Lehrens und Lernens in den Zusammenhang der gesamten übrigen Lebenstätigkeit des Menschen.
Die Entwicklung der führenden Rolle des Unterrichts gegenüber anderen Lernprozessen der Schüler durch Erhöhung seines didaktischen Niveaus.
Die Entwicklung von Aktivität und Bewußtheit der Schüler mit dem Ziel, sie zu schöpferischen Leistungen und lebenslangem Bildungsstreben zu befähigen.
Es geht nicht mehr nur um Ziele, Inhalte, Methoden und Medien des Unterrichts zur Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten, die Gesamtentwicklung der Persönlichkeit ist in den Blick zu nehmen.
Der Lehrer hat eine Bedingungsanalyse vorzunehmen, die interaktiv zu verstehen ist, also auch Schülern die Ausgangssituationen des Lernens klarmacht.
Die Lerntätigkeit wird als Ausdruck der Selbstregulation des Schülers aufgefaßt. Das heißt im Einzelnen, daß man Anforderungen richtig erkennen muß, seine eigenen Fähigkeiten richtig einschätzen lernen muß, daß man sich selbst Forderungen stellen muß, daß man wählen lernen muß, daß man lernen muß, mit Schwierigkeiten fertigzuwerden.
(Liimets/Naumann, 1982)
Laut Liimets/Naumann sollte die Sicherung der normalen Unterrichtsbedingungen folgendermaßen erfolgen:
1. Begrüßung
2. Anwesenheitskontrolle
3. Überprüfung des Zustandes des Klassenraumes
4. Kontrolle der Arbeitsplätze sowie der Haltung und des Äußeren der Schüler.
In ihrer Publikation geben sie zu vielen anderen didaktisch-methodischen Gesichtspunkten ähnlich simple Hinweise. Gegenüber der Diskussion um pauschal gehaltene Didaktik-Modelle in der BRD, fällt hier die Bemühung um das Detail auf.
Bei Liimets/Naumann ist der Gegenstand der Didaktik die Tätigkeit des einzelnen Schülers und des Kollektivs bei der Aneignung der zielgemäß bestimmten Kulturgüter unter Führung des Lehrers und eigens dafür geschaffener organisatorischer Bedingungen und persönlicher Beziehungen. Offenheit und Diskussionsmöglichkeit über Ziele und Inhalte des Unterrichts war nicht möglich, wodurch die Didaktik nur darauf ausgerichtet war, wie gelehrt werden müsse, damit der Schüler schnell, sicher und gründlich lernt. Allerdings weisen Liimets und Naumann auch daraufhin, daß es nicht nur um die Aneignung konkreten Wissens und Könnens geht, die Persönlichkeit insgesamt müsse geformt werden. Doch wurde dies auch verwirklicht? Wurde auf die Individualität der einzelnen Schüler eingegangen?
Dies wurde doch in den wenigsten Fällen dort praktiziert, wo es die strenge ideologische Doktrin zuließ. Vielmehr wurde ein vereinheitlichtes sozialistisches Persönlichkeitsideal angestrebt, welches von der Realität vollkommen abgehoben existierte. Trotz gewisser Ausführungen über die Bedeutung des Kollektivs und über Kooperationsformen wurde ein Konzept des lehrerzentrierten Unterrichts vertreten. Nach Liimets und Naumann erfolgt die Lerntätigkeit des Schülers nur erfolgreich im Sinne gesellschaftlicher Zielvorstellungen, wenn sie durch das Lehren geplant, angeleitet, kontrolliert und korrigiert wird. Das Schulkind müsse den gesellschaftlichen Anforderungen entsprechend lernen, auch wenn dies seinen momentanen Interessen widerstrebe. Allerdings ist noch heute das Problem der sogenannten subjektiven und objektiven Interessen ungeklärt. Das in der kommunikativen Didaktik heute diskutierte Problem der Subjektrolle des Schülers wurde in der DDR dialektisch bejaht und gleichzeitig von gesellschaftlichen Anforderungen abhängig gemacht, womit die Schülerrolle doch wieder funktionalisiert wurde.
Die Didaktik-Diskussion in der BRD wurde
in der DDR überhaupt nicht beachtet. Die Namen von Klafki, Blankerts, v. Cube, Möller,
Schulz und Winkel tauchen nicht auf. Dagegen wird auf Comenius, Ratke und Herbart Bezug
genommen, und es werden Anleihen bei der Kybernetik und beim Behaviorismus gemacht.
3.2.) Didaktische Ansätze in der BRD
In der BRD existierten seit 1945 gegenüber der DDR stark divergierende didaktische Konzepte, bedingt durch eine unterschiedliche Bezugsbindung der Theoriebildung. Diese, teilweise sehr unterschiedlichen Konzepte bestehen heute in ganz Deutschland nebeneinander. Es kam zum Paradigmawechsel, aber nicht zu einer Ablösung der Konzepte untereinander. Die verschiedenen Didaktiken konnten sich in ihrer Entwicklung, begründet auf verschiedene theoretische Modelle, entfalten. Die im folgenden kurz behandelten Ansätze sind dabei grundlegend für das Verständnis der Entwicklung der didaktischen Theorie in der BRD.
Der bildungstheoretische Ansatz, der 1945
auf eine bereits in der Weimarer Republik entwickelte und zum Teil auch im Faschismus
wirkende Tradition zurückblicken konnte, dominierte bis in die 60iger Jahre. Paul
Heimanns lerntheoretischer Ansatz wurde zwar Ende der 40iger Jahre zum Teil entwickelt,
konnte sich aber erst ab Mitte der 60iger Jahre breiter durchsetzen. Zur gleichen Zeit
kamen auch die von der Kybernetik inspirierten informationstheoretischen Ansätze auf.
Hier sollte nicht nur eine Theorie des programmierten Unterrichts, sondern eine völlig
neue Unterrichtstheorie entwickelt werden.
3.2.1.) Die bildungstheoretische Didaktik
Das Gegenstandsfeld der bildungstheoretischen Didaktik sind die Bildungsinhalte. Sie wurzelt in der geisteswissenschaftlichen Tradition Wilhelm Diltheys und Herman Nohls und wurde konkret in Erich Wenigers "Theorie der Bildungsinhalte"(Weniger 1965) zusammengefaßt. Weniger untersucht hier den Bezug zwischen Bildungsinhalten und Lehrplan. Es wird versucht die Lebens- und Schulwirklichkeit zu erforschen,um daraus Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten für einen bildungswirksamen Unterricht zu entwickeln. Ihr zentraler Bezugspunkt ist die 'Begegnung des Menschen mit Kulturgütern'. Diese werden, ausgewählt unter dem Aspekt intentionaler Erziehung und Bildung, zu Bildungsgütern. Diese entfalten, in der Begegnung mit dem zu bildenden Menschen, ihren Bildungsgehalt, so daß die in ihnen objektivierten Werte wirksam werden können.
Wolfgang Klafki, der in der Gegenwart bekannteste Vertreter bildungstheoretischer Didaktik, setzte die Arbeiten Wenigers fort. Zum Problem der Sichtung der bildungsfähigen Kulturgüter führte er das Prinzip der Elementarbildung und der kategorialen Bildung ein. In der kategorialen Bildung vereinen sich materiale und formale Bildungseffekte, d.h. ein objektives und ein subjektives Moment. Bildung ist damit für Klafki das Erschlossensein einer dinglichen und einer geistigen Wirklichkeit für einen Menschen, und das ist der objektive und der materiale Aspekt. Zugleich ist Bildung aber auch das Erschlossensein dieses Menschen für diese seine Wirklichkeit, und das ist der subjektive und der formale Aspekt. Es kommt also zu einer doppelseitigen Erschließung. Einerseits zu allgemein kategorial erhellenden Inhalten auf der objektiven Seite und andererseits zu allgemeinen Einsichten, Erlebnissen, Erfahrungen auf der subjektiven Seite. Es kommt zum Ausdruck, daß Bildung das Ergebnis oder der Vorgang eines Vermittlungsprozesses zwischen dem Zögling und der ihn umgebenden Kultur sei. Im Rahmen der Erziehung als Kulturvermittlung soll der Zögling einerseits mit dem Material der Kultur in Berührung gebracht und ihm dieses vorgelegt und zugänglich gemacht werden (objektiver Aspekt), andererseits sollen in ihm auch die "geistigen Organe" ausgebildet werden, die zur angemessenen Erfassung und Verwertung der Kulturgüter nötig sind (subjektiver Aspekt).
Vergleicht man die grundlegenden Arbeiten
von Nohl und Weniger mit denen von Klafki und Beckmann, so kann man feststellen, daß die
Bildungstheoretiker ihren ursprünglichen Ansichten im wesentlichen treu geblieben sind.
Ausgangspunkt der bildungstheoretischen Didaktik soll zwar die Erziehungswirklichkeit
sein, jedoch wird diese weder aus ihren sozialen Ursprüngen her noch in ihrer politischen
Funktion analysiert. Es erfolgt also immer noch eine Orientierung auf eine Theorie der
Bildungsinhalte und des Lehrplans, ohne die in die Bildungsinhalte und Lehrpläne
eingehenden ökonomischen, politischen, sozialen, u.a. Interessen ausreichend zu
berücksichtigen. Zeitadäquate Zusammenhänge von Unterricht und gesellschaftlichen
Lebensformen können so nicht erschlossen werden. Es besteht somit nur ein begrenzter
praktikabler Nutzen. Neuere bildungstheoretische Erklärversuche erstreben allerdings eine
Überwindung des geisteswissenschaftlichen Ansatzes.
3.2.2.) Die lerntheoretische Didaktik
Das Gegenstandsfeld der lerntheoretischen Didaktik ist das didaktische Handeln in Vorbereitung, Durchführung und Kontrolle des Unterrichts. Sie geht auf Paul Heimann und dessen Aufsatz "Didaktik als Theorie und Lehre" (Heimann 1962) zurück und ist allgemein auch als "Berliner Modell" bekannt geworden. Heimann geht es hierbei um "eine weitgehende erfahrungswissenschaftliche Durchforschung und Klärung unserer Unterrichtswirklichkeit, um die Kategorien zu gewinnen und gebrauchen zu lernen, welche uns befähigen, unser unterrichtliches Handeln rationaler und erfolgreicher zu gestalten und uns freizumachen von dem häßlichen Zwang der Gewohnheit und des Herkommens, jeglicher Art von didaktischen Dogmatismus und nicht zuletzt von den Zufällen, die unser pädagogisches Handeln in jedem Augenblick bedrohen"(Heimann 1962, 408).
Es geht also um die wissenschaftliche Kontrolle aller im Unterricht auftretender Erscheinungen und Bedingungen. So führt lerntheoretische Didaktik zu Untersuchungen über die personellen und materiellen Voraussetzungen schulischen Lehrgeschehens, über Schulziele von Schülern, Eltern und Lehrern, über Rollenproblematik und Statusunsicherheit der Lehrer, über Zielvorstellungen in Schulgesetzen und Lehrplänen, über Lehrtendenzen in Schulbüchern, über didaktische Trends in Schulordnungen und Unterrichtsentwürfen, über Probleme der Steuerung des Unterrichtsprozesses und der Effektivitätskontrolle sowie über die Beziehungen aller Einzelfaktoren zueinander.
Der Bildungsbegriff stellt keine zentrale Kategorie dar. Ihm wird der Lehr- und Lernbegriff gegenüber gestellt. Die Grundstrukturen jedes Unterrichts, welche formal konstant, aber inhaltlich variabel sind, werden durch eine Strukturanalyse erfaßt.
Hierbei unterscheidet Heimann vier in sich strukturierte Entscheidungsfelder, das der Intentionalität, der Inhaltlichkeit, der Methoden-Organisation und der Medienabhängigkeit. Weiterhin unterscheidet er zwei Bedingungsfelder, das anthropologisch-psychologische und das situativ-sozial-kulturelle. Die Entscheidungsfelder stehen unter dem Einfluß der Bedingungsfelder. Die beiden Bedingungsfelder machen sich in zweifacher Weise geltend, nämlich einmal als Annahmen und Überzeugungen der Lehrer und derjenigen, die für die Organisation von Schule und Unterricht verantwortlich sind, also normgebend, zum anderen durch die Kraft der Fakten selbst. Außerdem ist zu beachten, daß der Unterricht immer auf eine schon vorgegebene Erziehungswirklichkeit trifft, die unter bestimmten historischen Bedingungen bereits normen- und faktengebend gewirkt hat. Es ist also eine dreifache Bedingungsprüfung erforderlich, die Normenkritik, die Faktenbeurteilung und die Formenanalyse.
Eine Unterscheidung von Normen, Fakten und Formen scheint hier aber problematisch. Mit einer Faktorenanalyse werden die Bedingungen des Unterrichts "in der menschlichen und gesellschaftlichen gemeinsamen Wirklichkeit einer Epoche" erfaßt. Damit sind Fakten objektive Tatbestände, die der subjektiven Meinungsbildung entrückt sind und sich auch ohne Bejahung oder Ablehnung im Unterricht durchsetzen. Heimann selbst aber schränkt dann diese Feststellung ein, da es doch nur unsere Auffassungen über diese Tatsachen seien, die wirksam werden bzw. sie interpretieren das, was wirksam wird, mit unseren Begriffen. Also begreifen wir die Vorgänge doch mit den von uns angelegten Kategorien. Damit wirken diese Fakten wiederum normierend und sind somit nicht von den Normen zu trennen.
Heimann will in seiner didaktischen Lehre nicht so sehr die Theorie, sondern das Theoretisieren lehren. Damit ist der Prozeß der Theoriebildung der eigentliche Gegenstand der didaktischen Ausbildung. Es soll kein Unterrichtsmodell entwickelt werden, sondern eine generalisierende Theorie, aus der eine Theorie der Unterrichtsplanung abgeleitet werden könnte.
Die "Lerntheorie" als
bestimmendes Kennzeichen dieses didaktischen Modells bedeutet keine strenge Fixierung auf
die Lernpsychologie, weil die Problemstellungen zum großen Teil soziologischer oder
sozialpsychologischer Art sind. Nach der lerntheoretischen Didaktik läßt sich die
Zweckmäßigkeit didaktischer Maßnahmen nur von den Zielen her beurteilen, zu deren
Verwirklichung sie eingesetzt werden. Hierbei besteht ein Implikationszusammenhang
zwischen inhaltlichen und methodischen Entscheidungen. Damit ist gemeint, daß jede
Unterrichtsmethode inhaltliche Vorentscheidungen enthält, auch wenn sie diese nicht
sichtbar macht, und daß inhaltliche Zielsetzungen für den Unterricht nicht ohne
Bezugnahme auf ihre mögliche oder ausbleibende methodische Durchsetzung sein können.
Hierin unterscheidet sich die lerntheoretische Didaktik von der bildungstheoretischen
Didaktik, welche ihr Augenmerk einseitig auf die Bildungsinhalte richtet, aber auch von
der informationstheoretischen Didaktik, bei welcher die Informationsübertragung
verabsolutiert wird.
3.2.3.) Die informationstheoretische Didaktik
Das Gegenstandsfeld der informationstheoretischen Didaktik ist die Berechnung, Steuerung und Messung des Lernprozesses. Der Lernprozß wird als Spezialfall von Kybernetik und Informationstheorie betrachtet. Ausgangspunkt dieser Didaktik ist die Schrift "Kybernetische Grundlagen der Pädagogik" von Frank (1962).
Theorie und Praxis der informationstheoretischen Didaktik wenden sich hauptsächlich den Fragen zu, wie der Informationsgehalt von Basis- und Programmtexten gemessen, wie die Zahl nötiger Wiederholungen bei der Darbietung von Programmtexten festgelegt werden könnte, wie die informationstheoretischen Grundlagen für die Konstruktion von Lehrmaschinen und Lehrprogrammen in Buchform genützt und deren Testung vereinfacht und verbessert werden könnte. Beispiele dafür finden sich bei Weltner (1966, 40 ff.) und bei Gunzenhäuser (1963, 36 ff.). Es wird versucht, die technischen Wissenschaften auf den menschlichen Bereich anzuwenden, den individuellen und den sozialen, um so die Bedingungen der Lernprozesse lückenlos verfügbar zu machen. Veränderungen und Effekttivität sollen damit hervorgebracht und gesteuert werden.
Die informationstheoretische Didaktik konkretisiert sich in erster Linie an Problemen von Lehrmaschinen und ihrer Programmierung und bewegt sich damit auf dem Felde fortgeschrittener Formen des Programmierten Unterrichts, der dem Behaviorismus entstammt.
Frank sieht die Unterrichtsvorgänge nach dem Modell des Regelkreises organisiert. Am Beispiel der Funktionen einer Schiffsbesatzung erläutert er die Grundstruktur des Regelkreises:
"1. Festsetzung des Ziels bzw. Sollwertes: Kapitänsfunktion;
2. Beobachtung der aktuellen Situation, des sogenannten Ist-Wertes, Vergleich mit dem Sollwert und Herleitung geeigneter Steuerungsmaßnahmen zur Annäherung des Ist-Wertes an den Sollwert: Lotsenfunktion;
3. Durchführung dieser Steuermaßnahmen, d.h. Zuordnung von Steueroperationen zu Befehlen: Steuermannsfunktion;
4. Energieumsatz: Rudererfunktion ..."
(Frank 1963, 14).
Die Übertragung der einzelnen Elemente des Regelkreises auf den Unterricht sieht wie folgt aus:
Der Schüler tritt in den Unterricht ein und erhält eine Information, die er aufnehmen und verarbeiten soll. Die Information wird aufgrund der unterrichtlichen Zielvorstellung gegeben und ist so bemessen, daß aufgrund der Berücksichtigung von Lehrstoff, Medium, Psycho- und Soziostruktur die Zielerreichung erwartet werden kann. Diese wird hauptsächlich als Informationsübernahme und Verarbeitung interpretiert und durch das Lehrsystem kontrolliert. Läßt das Kontrollergebnis eine Differenz zwischen Ist- und Soll-Wert erkennen, so werden dem Schüler weitere Informationen übermittelt, so daß das effektive Lernergebnis durch den Regelvorgang sich dem Sollwert hinreichend annähert. Das Lehrsystem, alle Lehrer und Lehrmedien, beschränkt sich hierbei lediglich auf die Informationsdarbietung, die Ergebniskontrolle und die Entscheidung über weitere Stellgrößen. Die Tätigkeit des Schülers beschränkt sich auf Informationsaufnahme und -verarbeitung. Soziale Interaktionen werden nur als Störgrößen einkalkuliert.
Die Folge der Stellgrößen, auf die der Empfänger, die Regelgröße, reagieren soll, wird von Frank als Lehralgorithmus bezeichnet. Jeder Lehralgorithmus hängt von den übrigen fünf Faktoren ab, die das didaktische Feld bestimmen, nämlich dem Lehrstoff, dem Medium, der Psychostruktur, der Soziostruktur und dem Ziel. Jeder Faktor besteht nun aus einer bestimmten Menge von Strukturelementen. Die Gesamtheit aller dieser Elemente repräsentiert die Menge aller möglichen Unterrichtssituationen, der die Menge aller möglichen Algorithmen gegenübersteht. Weiterführend ergibt sich hieraus eine mathematische Funktion, welche an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden soll.
Die Redundanztheorie hat zumindest in den
ersten Jahren der informationstheoretischen Didaktik eine große Rolle gespielt. Diese
Theorie geht davon aus, daß Informationen nur dann übermittelt werden können, wenn
Sender und Empfänger das gleiche Zeichenrepertoire besitzen. Lernen besteht nach v.Cube
darin, daß auf der Empfängerseite die Wahrscheinlichkeit gelernt wird, mit der Zeichen
vom Sender ausgestrahlt werden. Als Redundanz wird die Informationsvermittlung dann
bezeichnet, wenn der Empfänger die Zeichenwahrscheinlichkeit bereits teilweise oder ganz
kennt. Dadurch, daß bei einem Lernvorgang der Empfänger mit zunehmender
Wahrscheinlichkeit die Zeichenfolge kennt, nimmt bei Wiederholungen durch den Sender die
Redundanz zu, bis sie bei Informationen, die dem Empfänger bekannt sind, den Wert 1
erreicht, während die subjektive Information auf 0 zurückgeht. Lernvorgänge können
deshalb als "Prozesse zunehmender Redundanz" beschrieben werden.
Es ist festzustellen, daß in der BRD seit 1945 und heute in ganz Deutschland sehr verschiedene didaktische Modelle nebeneinander existieren. Die bildungstheoretische Didaktik, welche sich vorzugsweise mit Kulturgütern, Bildungsgütern und deren Bildungsgehalten befaßt, problematisiert dabei die Begegnung des Zöglings mit diesen. Im Vordergrund steht der Bildungsbegriff. Es erfolgt eine inhaltliche Orientierung. Diese Didaktik kann auf eine lange Tradition zurückblicken und bedarf schon aus diesem Grunde unserer Aufmerksamkeit. Eine Anpassung der bildungstheoretischen Didaktik an die gegenwärtigen Erfordernisse erfolgte jedoch nicht oder nur unzureichend, so daß sie als weitestgehend überholt betrachtet werden kann.
Die informationstheoretische Didaktik enthält dagegen strukturtheoretische Komponenten, betont aber übergewichtig Informationsübertragung und -speicherung. Als Strukturmodell wird der Regelkreis angewendet. Es wird versucht, den Informationsfluß auch quantitativ zu erfassen und die Unterrichtsphänomene in einem mathematischen Modell darzustellen. Der inhaltliche Aspekt wird fast völlig vernachlässigt. Damit stellt die informationstheoretische Didaktik den Gegenpol zu bildungstheoretischen Didaktik dar.
Die lerntheoretische Didaktik verstand sich ursprünglich als eine formale, auf Unterrichtsanalyse und Unterrichtsvorbereitung spezialisierte Theorie und lieferte als solche wertvolle Hinweise und Anregungen für eine strukturtheoretische Durchleuchtung des Unterrichts. Im Laufe ihrer Entwicklung öffnete sie sich politischen, gesellschaftsverändernden emanzipatorisch-kritischen Fragen. Inhaltliche sowie methodische Aspekte finden gleichermaßen Beachtung. Die lerntheoretische Didaktik scheint somit als Alternativ-Didaktik zwischen bildungstheoretischer- und informationstheoretischer Didaktik akzeptabel.
Ein weiteres Modell, welches hier nicht weiter ausgeführt wurde, ist die kommunikative Didaktik. Für diese Didaktik ist die Kommunikation und die Metakommunikation im Unterricht ausschlaggebend für normative Entscheidungen. Sie ist an der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule orientiert und will nicht nur den Unterricht, sondern das Zusammenleben der Menschen insgesamt verändern. Die "Diskursfähigkeit" wird allerdings überbetont, während Unterrichtsziele, die sich auf Kulturüberlieferung und lebenspraktische Ausbildung richten, vernachlässigt werden.
Weiterhin soll noch kurz die Aktivitäts- und Erfahrungsdidaktik erwähnt werden. Hier stehen Selbsttätigkeit und Selbständigkeit im Vordergrund, die den Schüler aus der Passivität in die Aktivität führen sollen. Es soll primär keine Belehrung erfolgen. Vielmehr sollen eigene Erfahrungen gesammelt werden und so vorhandene Anlagen zur vollen Entfaltung gebracht werden. In Arbeit, Zusammenleben, Spiel und Feier werden grundlegende Bildungsformen gesehen. Es wird also nicht die Frage gestellt, wie der Schüler am besten belehrt werden kann, sondern in welchen Situationen er am besten selbständig werden und Erfahrungen sammeln kann. Der Lehrer wird zum Organisator von Arbeit und Schulleben sowie zum Helfer bei ihrer Durchführung. Die Bildungsgüter verlieren dabei nicht ihren Eigenwert, werden aber dem Selbständigkeits-Aspekt untergeordnet. Ihre bildenden Wirkungen entfalten sie im Arbeitsprozeß und seinen Rückwirkungen. Dabei machen die Arbeitserlebnisse den Bildungswert einer Arbeit aus. Der Schüler soll im Hinblick auf sein späteres Leben zur Selbstbildung und zum Leben in der menschlichen Gesellschaft befähigt und motiviert werden.
Die marxistisch-leninistische Didaktik in
der DDR stand außerhalb jeder Konkurrenz, da es nur diese eine gab. Didaktische Modelle
der BRD fanden keinerlei Beachtung. Jegliches Ausbrechen aus dem vorgeschriebenen Weg der
zentralistischen Machtdoktrin wurde unterdrückt, nicht nur im Bereich der
Didaktikforschung, wodurch bald Versuche einer Erneuerung unterblieben. So kann man zwar
die Didaktik der DDR beschreiben, aber im Vergleich mit anderen Modellen, die ja nicht
existierten, nicht diskutieren. Ein Vergleich mit den, zur gleichen Zeit existierenden,
Modellen in der BRD bietet sich nicht an, da man die DDR-Didaktik nur isoliert von
normalerweise entwicklungsbedingten Einflüssen betrachten kann.
Beckmann,H.-K.: "Aspekte der geisteswissenschaftlichen Didaktik", in: Ruprecht u.a.: "Modelle grundlegender didaktischer Theorien", Hannover, 1972.
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